Im Frühjahr 2023 reisen Ursula Hecker und Dr. Marianne Rauwald nach Yangon, Myanmar. Sie sammeln Eindrücke, lernen Menschen kennen und erleben ein wunderbares – aber auch zerissenes Land. Ein Auszug der Reisenotizen:
Ein stilles Land
Ich war in vielen Krisensituationen dieser Welt, aber das habe ich noch nie erlebt: Man sieht nichts, dass auf Krise hinweisen würde. Es gibt keine Polizei, kein Militär, nichts, was offensichtlich verrät, wie die Situation wirklich ist. Trotzdem vermittelt sich eine große Gefahr in diesem Land.
Nachts bin ich manchmal wach geworden – denn plötzlich brach etwas los: Hunde haben wie wahnsinnig gebellt. Oder es gab – ganz gruselig – einen Schrei. Das war wie Geister. Ich hatte den Eindruck, da soll den Menschen Angst gemacht werden.
Unser Hotel war in der Nähe von der Militärregierung und ich hatte den Eindruck, dass Nachts Rebellen den Soldaten Angst machen wollten. In der Luft war ein Geheule, die Hunde fingen wie wahnsinnig an zu bellen.
Sobald man mit den Menschen ins Gespräch kommt, kommen gruselige Geschichten zum Vorschein. Geschichten, die mich an die Vietnam Soldaten erinnert haben: Menschen, die sich in der Nacht einbuddeln, um sicher zu sein. Ganz furchtbare Geschichte – und dazu der krasse Kontrast: Man sieht nichts. Es ist ein stilles Land.
Blumen
Frau Hecker und ich haben zur Begrüßung einen großen Blumenstrauß bekommen! Die Blumen in Myanmar – wahnsinn! Das Klima ist subtropisch. Und wir sind in einer Zeit da, wo die Regenzeit noch nicht lange her ist. Die Natur ist ein Überfluss. Alles blühte. Berge von Orchideen liegen an den Straßen, in allen Farben.
Das Zimmer ist schlicht, aber die Blumen sind umwerfend. Wir bewegen uns nur mit dem Auto durch die Stadt – zu Fuß ist es zu gefährlich. Ich schaue aus dem Fenster und gucke mir die Häuser an: Aus den Fenstern der oberen Stockwerke hängt immer ein Seil herunter. Die Hausklingel und ein Flaschenaufzug um die Einkäufe hochzuschleppen. Viele Fenster sind vergittert, aber alles ist sehr grün.
Draußen herrscht elend, die Stadt ist ärmlich, aber es gibt auch Edelrestaurants. Die Kontraste sind krass.
Kolonialherrschaft
Noch jahrhunderte nach der Kolonialherrschaft besteht tiefer Hass. Jeder sieht, aus welcher Ethnie man kommt. Es ist permanent ein Thema, ohne dass man darüber spricht. Das ist für uns eine Herausforderung: Man muss das reflektieren. Wir müssen auch unsere eigene Ebene als Europäer, die jetzt nach Myanmar kommen und etwas über Therapie erzählen, berücksichtigen. Welche Rolle spielen wir hier?
Angst
Alle haben extreme Angst. Sie leben in Angst. Paranoid ist das falsche Wort, denn man weiß nicht, wie viel Realität da dran ist. Sie leben in der Überzeugung, dass jederzeit etwas passiert kann, dass sie verhaftet werden, dass sie gefoltert werden. Es ist eine Realität, weil alle Verwandte in den Gefängnissen haben. Das Grauen aus den Gefängnissen ist sehr präsent.
Es kann jederzeit passieren, dass man zutiefst intrusiv untersucht wird – man muss dafür gewappnet sein und darauf achten, dass man nichts an politischer Identität bei sich trägt.
Wenn wir Essen gegangen sind, wurde immre geguckt, dass wir irgendwo am Rand sitzen, mit viel Abstand zu allen anderen. Wenn der Abstand nicht groß genug war, durften wir nur über das Wetter sprechen.
Am liebsten haben wir uns im privaten getroffen, denn die Erwartung war immer da, dass jemand zuhört. Die Angst davor, belauscht zu werden, ist allgegenwärtig und das macht sich sehr bemerkbar.
Alle kommen aus Ethnien und Gebieten am Rande Myanmars, wo der Krieg sehr lebendig ist. Stündlich kriege ich jetzt über eine App Nachrichten, wo wieder Gefechte waren, wo es Tote gegeben hat. Wo das Militär ganze Dörfer und Bereiche niederbrennt. Die Bevölkerung muss fliehen in die IDP Camps. Die befinden sich an den Grenzen zu den Nachbarstaaten. Es gibt einen gewissen Grenzverkehr.
Was hat mich am meisten beeindruckt
Mich haben die Menschen beeindruckt. Mich hat beeindruckt, wie sehr es einen Wunsch gibt, etwas zu verändern. Sie wollen Frieden finden – aber sich nicht dem Militär unterwerfen, sondern sie wollen einen demokratischen Frieden finden. Es gibt eine Bereitschaft, Gefahren einzugehen. Die Menschen fliegen in die ethnischen Gebiete und werden tätig. Hoch in den Bergen. Selbst Dörfer, die man nur noch zu Fuß erreicht, versorgen sie mit Hilfe.
Auf der anderen Seite die Freundlichkeit, die Gastfreundlichkeit. Mir wurden die Häuser geöffnet, ich wurde in die ganz privaten Räume eingeladen.
Und natürlich die Natur, ein Überfluss. Alles blühte. Berge von Orchideen lagen an den Straßen, in allen Farben.
Mehr zu unserer Arbeit in Myanmar erfahren Sie hier.